Das Internet der Dinge: Vom Beginn der wahren digitalen Transformation

Das Jahr 2017 war kaum vier Tage alt, schon wuchs das Internet der Dinge um ein weiteres Gerät: eine Haarbürste. Im Messetrubel der Computer Electronics Show in Las Vegas präsentierte das HealthTech-Unternehmen Withings die smarte Bürste, die mit jedem Kämmen die Haar- und Pflegequalität misst. Ein eingebautes Mikrofon nimmt die Geräusche beim Bürsten auf und erkennt so das Bewegungsmuster. Wer dann morgens im Bad sowieso schon nicht ohne Smartphone in den Tag startet, kann via App überprüfen, ob er nicht einmal wieder die Spitzen schneiden lassen sollte.

Die Bürste ist in diesem Jahr ein frühes neues Mitglied des Internet der Dinge und regt vielleicht zum Schmunzeln an. Dabei schätzen die Experten des US-Marktforschers Gartner, dass es Ende dieses Jahres über acht Milliarden vernetzter Geräte geben wird. Das Internet der Dinge wächst mit enormer Geschwindigkeit. Gartner geht davon aus, dass 20 Milliarden Dinge im Jahr 2020 miteinander vernetzt werden. Bis dahin werde die gigantische Summe von fast 3.000 Milliarden Dollar weltweit für IoT-Hard- und Software investiert. Spezialisten von Intel rechnen hoch, dass dann das globale Internet der Dinge über 200 Milliarden Sender und/oder Empfänger verfügt.

Die technischen Grundlagen

Was genau bedeutet das und was ist eigentlich genau mit dem Internet der Dinge gemeint? Das Internet der Dinge besteht grundsätzlich aus zwei Komponenten – den physischen Gegenständen und dem Internet, oder vielmehr der Cloud. Sensoren und Sender machen physische Dinge smart. So kann jedes Ding, jeder Stuhl, auf dem wir sitzen, jedes Fenster, jeder Mülleimer mit Sensoren ausgestattet werden, die messen, wer sie wann, wie und wie oft nutzt. Die Daten werden über unterschiedliche Datenübertragungsprotokolle wie LPWAN oder Sigfox in die Cloud übertragen, gespeichert und mit entsprechender Software analysiert. Analytics-Tools helfen dann auszuwerten, wie oft zum Beispiel das Reinigungsteam am Flughafen oder Bahnhof tatsächlich die Mülleimer leeren sollte. Das spart Zeit und Kosten, es macht Abläufe effizienter.

Ein spannendes Beispiel aus der Praxis bietet die Deutsche Bahn. Deren Tochtergesellschaft, die Deutsche Bahn Station und Service AG, ist für über 5.000 Bahnhöfe in Deutschland verantwortlich und kümmert sich um die Wartung, Instandhaltung und den reibungslosen Betrieb. An Bahnhöfen spielt sich ein enormes Geflecht an Prozessen ab, die effizient ineinandergreifen sollen: Zugabfertigung, Müllentsorgung, technische Wartung der Infrastruktur, Reinigung, logistische Prozesse rund um die Einzelhandelsgeschäfte im Bahnhofsbereich. All das soll nach Pilotprojekten zur Nutzung des Internet der Dinge 2016 verbessert werden können. Den Anfang in der noch jungen IoT-Geschichte der Deutschen Bahn machten die Fahrstühle: Sensoren messen an ausgewählten Standorten, ob es eine Störung gibt und senden hierzu einen Alert an die zuständige Zentrale. Eine App zeigt den Bahn-Reisenden schließlich an, welche Fahrstühle an ihrem Zielbahnhof derzeit nicht nutzbar sind – ein gelegener Service insbesondere für ältere Reisende oder jene mit Kinderwagen.

Neben den Fahrstühlen wurden außerdem die ersten 50 Bahnhofsuhren vernetzt: Sender übertragen von nun an Schäden am Uhrenglas, Temperatur und andere Daten über das Übertragungsprotokoll LoRa, das mit bis zu 10 Kilometern über eine besonders große Reichweite verfügt.

Erst jetzt beginnt die digitale Transformation

Grundsätzlich besteht das Internet der Dinge also aus mehreren Schichten, von den Geräten selbst, über deren Vernetzung, die Cloud, eine Analytics- oder allgemein Anwendungsebene und den Dashboards oder auch der Unternehmenssoftware, in die die Daten einfließen. Was den IoT-Markt selbst betrifft, arbeiten Unternehmen an genau diesen Ebenen und daran, Daten besser zu speichern, zu verarbeiten, auszuwerten, darzustellen und damit nutzen zu können. Für die Unternehmen wie auch Medienhäuser, die diese Technologien nutzen, ergeben sich eine ganze Reihe neuer Geschäftsoptionen – von der Optimierung ihrer Prozesse und Kosteneinsparungen bis hin zur Entwicklung ganz neuer Geschäftsmodelle und Produkte.

Und so sind Experten wie Bernd Groß, Geschäftsführer von Cumulocity, des führenden unabhängigen IoT-Plattform-Providers, überzeugt: Mit dem Entstehen des Internet der Dinge setzt eine zweite Phase der Digitalisierung ein. Erst jetzt beginnt die digitale Transformation tatsächlich. Die Vernetzung der alltäglichen Gegenstände und Maschinen wird enorme Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft, nicht zuletzt auch in der Politik auslösen. Letztlich braucht es adäquate politische Rahmenbedingungen, um die Veränderungen sowohl sozialverträglich als auch innovationsfreundlich und -fördernd zu begleiten.

Praktische Beispiele: Neue Einblicke im Smart Home 

Die Auswirkungen des Internet der Dinge sind bereits heute spürbar. Technologien wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning, die mit dem Internet der Dinge und dem damit zur Verfügung stehenden immensen Datenmeer einhergehen, sind Teil unseres Alltags geworden. Ob die Empfehlungen, die wir aufgrund unseres Kaufverhaltens online ausgesprochen bekommen, intelligente Terminkoordinationsassistenten wie Amy.io oder Geräte wie das Fitnessarmband Jawbone Up und der Schrittzähler Fitbit gehören zu einer neuen Gadget-Generation, die mit Apps und Web-Services kommuniziert.

Für die Heim-Automatisierung stehen Kameras und intelligente Thermostate bereit, die es Bewohnern erlauben, selbst im Urlaub daheim nach dem Haustier und dem Rechten zu sehen oder stromsparend die Wärme zu regulieren. Google’s Smart-Home-Sparte Google Nest gab gerade erst im Februar zum Innovationskongress Digital-Life-Design von Hubert Burda Media in München seinen Launch im Raum Deutschland, Österreich und Schweiz bekannt. Die Good Night Lamp wiederum hilft, Menschen miteinander zu verbinden. Sie ist via Internet mit den anderen Lampen vernetzt. Schaltet jemand seine ein, geht irgendwo auf der Welt eine kleine Version ebenfalls an.

Connected Car Do it yourself

Doch es geht auch ein Stück größer: Das eigene Auto muss nicht autonom fahren können, um bereits jetzt zum Internet der Dinge zu zählen. Das mag erstaunen, denn obwohl das Auto eine der teuersten und komplexesten Maschinen ist, die sich Menschen in ihrem Leben anschaffen, ist es bisher noch kaum im App-Zeitalter angekommen. Erst vor zwei Jahren demonstrierte der Blogger und Buchautor Sascha Lobo auf der Digitalkonferenz Republica in Berlin, wie schwerfällig das Navigationssystem eines VW Phaeton, einer viertürigen Stufenheck-Limousine der Oberklasse, sein kann: Jedes Nokia 3310 würde auf Tastendruck schneller reagieren als sein Navi auf Touch-Berührung.

Und dennoch, was kaum jemand weiß, ist, dass es bereits seit 1995 serienmäßig eine standardisierte Schnittstelle zum Bordcomputer im Auto gibt, den On-Board-Diagnose-Port. Projekte wie Mojio oder Automatic machen sich ihn zu nutze und bieten eine Hardware, die an den Port gesteckt, die Verbindung mit dem Smartphone ermöglicht. Mithilfe der entsprechenden App lassen sich schließlich diverse Daten zum Zustand des Autos abrufen.

Aus dem Schatten des IoT: Künstliche Intelligenz

Das Internet der Dinge berührt jedoch mehr, als dass es bloß bedeutet, einem Gegenstand einen Chip oder Sensor mitzugeben. Die riesigen Datenmengen treiben die Suche nach Möglichkeiten ihrer Verwertung an.

Bleiben wir beim Beispiel des Connected Car und Big Data: Durch den Mobilfunkstandard LTE, Long Term Evolution, kann eine Übertragungsrate von 150 Megabit pro Sekunde erreicht werden. Das führt zu einer unglaublich schnellen Verbindung von Car-to-X, sodass Versicherungen, Werkstätten und Händler in Echtzeit diese Daten auswerten können. Das Internet der Dinge wird in Zukunft wesentlich mehr Traffic verursachen als Menschen und Endgeräte es je könnten. Ob Connected Cars, vernetzte Haushaltsgeräte, Roboter, intelligente Städte, Straßen, Häuser und Mülleimer – all diese Dinge senden und empfangen Daten. Mit dem Internet der Dinge nimmt so eine weitere Disziplin an Fahrt auf: die Künstliche Intelligenz (KI), oder Artificial Intelligence (AI).

KI beschäftigt sich generell mit der Automatisierung menschlichen intelligenten Verhaltens. Dazu gehören neben dem Machine Learning auch Teilgebiete wie die Robotik, Muster- oder Spracherkennung. Mit Hilfe der riesigen Mengen gewonnener Daten lassen sich erstmalig Maschinen trainieren und ihnen beibringen, aus den bisherigen Daten – oder auch: Erfahrungen – eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.

Und so gründeten sich 75 Prozent der heutigen Start-ups im Bereich Artificial Intelligence nach 2013 – zu einem Zeitpunkt, als die Industrie sich auf bestimmte IoT-Standards einigen konnte und die Investitionen in das IoT massiv zunahmen. Mehr als die Hälfte der europäischen AI-Start-ups hat seinen Hauptsitz in London, das noch immer ein stärkeres Ecosystem und mehr öffentliche Förderung bietet als andere europäische Städte. Weitere Hubs sind Berlin mit 13 Prozent der AI-Start-ups, Paris mit 8 und Amsterdam mit 3 Prozent.

Machine Learning – Wenn Computer aus Erfahrung lernen

Im populären Gebrauch der Bezeichnung AI geht es häufig direkt um maschinelles Lernen. Im Teilgebiet von AI beschäftigen sich Ingenieure und Entwickler damit, Computer mit genügend Erfahrungen zu füttern, um sie anschließend auf die Lösung eines Problems anzusetzen. Beispiele für maschinelles Lernen gibt es in unserem Alltag bereits zahlreiche. Die empfohlenen Produkte beim Amazon-Shopping, Vorschläge für neue Facebook-Freunde oder auch die Generierung möglicher automatischer E-Mail-Antworten mit Google Inbox, basieren auf Algorithmen, die aufgrund von bisherigen Erfahrungen Vorhersagen für zukünftiges Verhalten treffen.

Machine Learning wird die Tools in Marketing, Sales und PR massiv ergänzen und automatisieren. So integriert Salesforce Machine Learning bereits mit seinem Produkt “Einstein” und wertet Salesforce-Daten wie Kundeninformationen, E-Mail-, Kalender- und E-Commerce-, Social-Media-Daten wie Tweets und Bilder und sogar IoT-Signale umfassend aus. Das Ziel: die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Kaufabschluss vorherzusagen und so die Effizienz von Sales und Marketing zu steigern. Welche Einflüsse KI im Speziellen auf die Medienbranche hat, beleuchten wir im nachfolgenden Artikel genauer.

Ausblick

Das IoT und die Menge zukünftig verfügbarer Daten – sowohl direkt aus unserer Umwelt als auch jene, die wir uns mittels KI-Technologien zum Beispiel aus Bildern neu erschließen – werden viele Aufgaben in Kundensupport und -kommunikation, in Vertrieb und Marketing sowie Softwareentwicklung automatisieren und unser alltägliches Leben verändern. Sie bringen enorme Chancen, Prozesse einfacher und kostengünstiger zu gestalten, öffentliche Dienstleistungen besser und sicherer bereitstellen zu können und lästige Alltagsaufgaben abgeben zu können. Und während Menschen mit jeder Generation sich das Wissen stets von Neuem aneignen, vergessen Computer dabei nicht. Die vierte industrielle Revolution nimmt aktuell Geschwindigkeit.

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Der Start-up-Report wird den Verbandsmitgliedern kostenfrei per E-Mail zur Verfügung gestellt; neue Interessenten melden sich bitte bei Anja Mumm (a.mumm[at]vdz.de).

Autorin
Maria Urban ist Director der Unit Internet of Things bei PIABO, der ersten Agentur-Unit Deutschlands speziell für die PR für IoT-Unternehmen. PIABO ist die führende Agentur der digitalen Wirtschaft mit Sitz in Berlin und erzielt für seine Kunden aus den Branchen Technologie und IT, Mobility, Lifestyle, E-Commerce und Consumer Electronics international herausragende Medienpräsenz. Das Leistungsspektrum umfasst neben Public Relations auch strategisches Social Media Management und Content Marketing. Ziel von PIABO ist es, Unternehmer aktiv beim Erreichen ihrer lokalen und globalen Wachstumsziele zu unterstützen und so maßgeblich zum Erfolg ihrer Unternehmungen beizutragen.